StartseiteMagazinKulturZwischen Totentanz und Bildersturm

Zwischen Totentanz und Bildersturm

Eine Ausstellung im Berner Historischen Museum führt uns «Mit Niklaus Manuel durch die Zeit der Reformation».

Wurde Niklaus Manuel von seinen Zeitgenossen vor allem als vielbeschäftigter Maler geschätzt oder als Literat von bissiger Satire und Fastnachtsspielen? Oder erhielt er mehr Anerkennung durch seine politischen Funktionen in den Berner Räten? Er ist wie viele seiner Zeitgenossen auch mehrmals als Söldner – Reisläufer, wie es damals hiess, – in den Krieg gezogen, zuletzt als Feldschreiber.

Der zugkräftige Titel der Ausstellung «Söldner, Bilderstürmer, Totentänzer» weist nicht so sehr auf die Person von Niklaus Manuel, sondern auf die Zeitläufte. Um Geld zu verdienen, verdingten sich viele Schweizer an Kriegsherren, denn besonders zwischen italienischen und französischen Fürsten kam es immer wieder zu Kriegen. Gerade die Berner hatten sich in den 1470er Jahren als Sieger über den Burgunderkönig Karl den Kühnen einen Namen als erfolgreiche Kämpfer gemacht.

Die Zeit zwischen den Epochen Mittelalter und Neuzeit ist ebenso unruhig wie fruchtbar. Vieles verändert sich infolge neuer Entdeckungen und Erfindungen; über Religion und Kirche beginnt man zu streiten, die Reformation wird die alte Ordnung und nicht nur das religiöse Leben gründlich erschüttern. Die Renaissance gilt als Epoche, die, ausgehend von der Antike, dem Denken und den Künsten neue Bahnen weist. Auch die sozialen Strukturen bleiben von dem Wandel nicht verschont.

Selbstbildnis Niklaus Manuel Deutsch.
1520; Kunstmuseum Basel
/ wikimedia.org

Eine Persönlichkeit wie Niklaus Manuel
steht mitten drin in diesen Strömungen. Der Grossvater – wahrscheinlich Gewürzhändler – war aus dem Piemont zugezogen, der Vater Emanuel de
Alemanis hatte die uneheliche Tochter
des wichtigen Berner Stadtschreibers Thüring Fricker geheiratet.

Niklaus Manuel änderte seinen Namen
bei seiner Hochzeit mit der Tochter des ehemaligen Landvogtes von Erlach.
Dabei ist heute nicht mehr zu eruieren,
ob Manuels Namenszusatz «Deutsch» einfach als Übersetzung des alten
Namens Aleman(is) zu gelten hat. Auf seinen Gemälden signiert er mit den drei verschlungenen Buchstaben NMD, dazu einen Degen – auch hier ein «D» – und eine Schleife.

Ab 1523 wird Manuel selbst seine Einkünfte als Landvogt von Erlach erhalten. Niklaus Manuel, später auch Oberhaupt der Zunft zur Gerbern, gilt als Begründer der einflussreichen Berner Familie Manuel, ein Zeichen dafür, dass es nicht mehr die Berner Junker allein waren, die über die Geschicke des reichen und grossen Kantons bestimmten. Auch ein Abkömmling von «Migranten» konnte in Bern zu Rang und Würden kommen.

Albrecht Kauw nach Niklaus Manuel, Szene aus dem Berner Totentanz, Bild 18: Tod und Witwe / Tod und Tochter, 1649, Gouache auf Papier, Bernisches Historisches Museum

Manuels berühmtestes Werk ist die grosse Bildreihe eines Totentanzes am damaligen Dominikanerkloster in Bern. Ironie der Geschichte – dieses Werk ist nur noch in den ausgezeichneten Kopien des Albrecht Kauw erhalten. Der Totentanz besteht aus 21 Szenen, die zeigen, wie der Tod Persönlichkeiten aus allen Lebensbereichen zu sich nimmt, jede Szene ist von einem gereimten Kommentar von Niklaus Manuel begleitet. Der Berner Totentanz wurde nicht durch den Bildersturm als Folge der Reformation zerstört, sondern erst 1660, als die Zeughausgasse erweitert werden sollte. Die Gemälde des Totentanzes wurden offensichtlich sehr geschätzt, man hatte sie zweimal restauriert und ein Holzdach als Schutz gegen die Witterung angebracht. Kauw schuf die Kopien ca. zehn Jahren vor dem Abriss der Mauer. Sprach man vielleicht damals schon davon, dass der Manuelsche Totentanz verschwinden würde?

Albrecht Kauw nach Niklaus Manuel, Szene aus dem Berner Totentanz, Bild 23: Der Tod und die Ungläubigen / Der Tod und der Maler, 1649, Gouache auf Papier, Bernisches Historisches Museum

Die lebensgrossen Figuren der Szenen des Totentanzes stellen wohl die Spender bzw. Spenderinnen des Werkes dar. In der letzten Szene stellt sich Manuel selbst dar, charakteristisch für diesen Künstler, der ebenso elegant wie satirisch überspitzt malen konnte. Es ist übrigens nicht bekannt, wo er das Malen und andere künstlerische Techniken wie Holzschnitt oder Glasmalerei gelernt hat. Kunsthistoriker sehen eine Verbindung zu Malern des oberrheinischen Raumes, zu Hans Baldung Grien oder Urs Graf. Auch Stiche oder Zeichnungen von Albrecht Dürer kannte Manuel wahrscheinlich. Daneben griff er gern zur Schreibfeder, besonders seine satirischen Gedichte wurden geschätzt, und in den 1520er Jahren wurden seine gegen die katholische Kirche und ihre Herren gerichteten Fastnachtsspiele oft gespielt. Bis ca. 1520 wirkte Niklaus Manuel an der Innenausmalung des Berner Münsters mit. Danach gibt es keine Zeugnisse mehr für seine Tätigkeit als Maler. Hatte das mit der Reformation zu tun?

Die Auswüchse der Reformation, die Bilderstürme, fanden in Bern erst 1528 statt. Niklaus Manuel erlebte sie noch – er starb 1530 -, aber er beteiligte sich kaum selbst daran. Als Politiker setzte er sich jedoch stark für die Durchsetzung der Reformation ein. Nachdem die Bernischen Räte beschlossen hatten, die Reformation einzuführen wie Zwingli in Zürich, reiste Manuel durch die Lande, um sie durchzusetzen, und hatte vielleicht neben seinen politischen Ämtern für künstlerisches Schaffen keine Zeit mehr.

Die Ausstellung nimmt Stationen aus Niklaus Manuels Leben auf und zeigt neben dessen eigenen noch vorhandenen Werken viele sehenswerte Bücher, Waffen, Kostüme, Bildteppiche, Glasmalereien und Skulpturen aus den Sammlungen des Bernischen Historischen Museums und Leihgaben aus der Schweiz und Europa. Wie ein Leitfaden entsteht so das Gefüge der sich wandelnden Gesellschaft in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Die Schau soll auch als Beitrag zum Reformationsjubiläum 2017 gelten.

Die Ausstellung im Bernischen Historischen Museum dauert noch bis 17. April 2017.

Ab 2. November 2016: Inspiriert vom Vorbild Niklaus Manuels haben die Berner Künstler Jared Muralt und Balts Nill eine Neuinterpretation des Berner Totentanzes geschaffen und diese in einem aufwändigen Totentanz-Leporello veröffentlicht. Eine Kabinettausstellung zeigt die Entstehungsgeschichte des Berner Totentanzes 2016 und macht deutlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Tod heute so aktuell ist wie vor 500 Jahren.

Begleitpublikation: Susan Marti (Herausgeberin): Söldner, Bilderstürmer, Totentänzer.
Mit Niklaus Manuel durch die Zeit der Reformation. 160 Seiten,
NZZ Libro 2016; ISBN 978-3-03810-183-3

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