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Die Welt läuft aus dem Ruder

Der ehemalige Bundesrat und Unternehmer Kaspar Villiger hat ein neues Buch veröffentlicht: „Die Durcheinanderwelt. Irrwege und Lösungsansätze“.

Im Vorwort verweist er auf Friedrich Dürrenmatts Roman „Das Durcheinandertal“ und gesteht, dass ihn dieser Titel zu dem seinen angeregt hat. Villiger legt in einer analytisch ruhigen und stilsicheren Sprache in drei Abschnitten und dem Schlusskapitel „Etüden zur Freiheit“ seine liberale Vorstellung einer politischen und wirtschaftlichen Welt von heute dar.

Symptome der Unordnung

Im ersten Abschnitt befasst er sich mit der Veränderung der Weltordnung und glaubt, dass sie in eine Weltunordnung umgeschlagen hat. Es zeichnen sich verschiedene Krisen ab. Die moderne Marktwirtschaft gerate unter den Primat der Politik. Das habe fatale Folgen. Er zeigt die Konsequenzen und Auswirkungen der Geldflutung durch die EZB und der Tiefzinspolitik. Die Weltordnung sei gestört durch die Migration, die Umweltbelastung, die Veränderung der Demographie und durch die Dominanz der Interessen über die Werte. Auch die Krise der Europäischen Union sei ein Symptom der Unordnung. Zudem gebe es überall nationalistische Tendenzen und populistische Strömungen, die die demokratischen Werte in Frage stellten. „Wir stellen fest, dass in der Realität Interessen zunehmend wieder höher als ethisch-moralische Bedenken gewichtet werden.“

Im zweiten Abschnitt beschäftigt sich der Autor mit der „Blüte und Siechtum von Nationalstaaten“. Er skizziert ein Sozialmodell, das vielen Staaten fehlt. „Ein erfolgreiches Sozialmodell enthält …nicht nur ökonomische, sondern auch soziale Institutionen. Ein leistungsfähiges soziales Sicherheitsnetz erleichtert die ständige Erneuerung der Wirtschaft und macht die Menschen risikobereiter, weil auch Verlierer besser geschützt sind.“ Deshalb sei der Sozialstaat ein unverzichtbarer Pfeiler der Marktwirtschaft. Man gewinnt den Eindruck, dass der ehemalige Bundesrat darunter leidet, dass es an Bürgertugenden mangelt. Man wird ihm Recht geben, wenn man das „übersteigerte Besitzstandsdenken“ betrachtet, über das er kritisch schreibt. Er lobt das Schweizer Sozialmodell, das er bedroht sieht durch Ideologien und Populisten, aber auch durch die Einwanderung. Im Kapitel „Einwanderung: Fluch oder Segen?“ untersucht er ihre Auswirkungen. Villiger zitiert Experten und Fachleute mit ihren Forschungsergebnissen und stützt mit wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen seine eigenen Ideen und Erfahrungen.

Für ein starkes Europa

Im dritten Abschnitt legt er eine Skizze eines neuen Europa vor. Voran steht das Bekenntnis, dass ein starkes Europa im Sog der Weltentwicklung notwendig sei. „…ein erstarktes politisches Gewicht Europas ist unabdingbar, wenn Frieden und Demokratie in unserer Weltgegend auf Dauer gesichert werden sollen. Um das zu erreichen, bedarf es nun einmal der Europäischen Union, ob man sie mag oder nicht. Vielleicht ist es paradox, aber dieser kritische Aufsatz ist das Plädoyer eines Schweizer EU-Beitrittsgegners für eine erfolgreiche EU.“ Da Villiger überzeugende Vorschläge unterbreitet, wie die EU von morgen aussehen könnte, werden ihm Europa-Politiker Gehör schenken. Er analysiert die Krankheiten der bestehenden EU emotionslos, aber sehr stringent. Er legt eine Skizze vor, wie die Union lebensfähiger werden könnte. Sein Zehnpunkteprogramm zur Revitalisierung der EU ist überzeugend. Mit diesen Empfehlungen unterscheidet er sich von EU-Gegnern, die nichts in der Hand haben als Verunglimpfungen. Sein Denkimpuls dürfte in Brüssel auf Interesse stossen.

Villiger wurde 2016 von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Deutschland mit dem Friedenspreis ausgezeichnet und hielt in der Frankfurter Paulskirche vor einem grossen Publikum ein viel beachtetes Referat. In den „Etüden zur Freiheit“, die das Buch abschliessen, hat der Autor Elemente seiner Dankesrede verarbeitet. Kaspar Villiger sieht sich darin nicht als abstrakt-philosophischer Denker der Freiheit. Er weiss, dass dieser transzendente Begriff genau so wie Leben, Sinn, Glück u.a.m. nicht abschliessend definiert werden kann. Vielmehr betrachtet er, was Freiheit im Alltag, in der Politik und in der Marktwirtschaft konkret bedeutet. Seine Ausführungen sind glasklar.

Das Buch sei den engagierten und interessierten Staatsbürgern empfohlen. Es klärt die eigene Position, ob links oder rechts, und konfrontiert den Leser mit dem liberalen Standpunkt eines sehr erfahrenen Autors, der sich auch durch weitere staatspolitische Schriften ausgezeichnet hat. Dem Autor geht es um einen funktionierenden Staat und eine selbstbestimmte Bürgerlichkeit. Seine Gedanken kreisen im tiefsten Kern um ein Sozialmodell, das er im Buch ausführlich darstellt. Dieses Modell schildert die Voraussetzungen, die möglich machen, dass der Mensch sein Leben in Selbstverantwortung gestalten kann.

Die Durcheinanderwelt. Irrwege und Lösungsansätze. NZZ Libro, 2017, ISBN 978-3-03810-250-2

Werke von Kaspar Villiger:

– Eine Willensnation muss wollen, NZZ Libro 2009, ISBN 978-3-03810-250-2 (Buch)
– Mit Freiheit und Werten zu Wohlstand, Walter Eucken Institut, Beiträge zur Ordnungstheorie und Politik 178, Mohr Siebeck Verlag 2012
– Pendler zwischen Wirtschaft und Politik, Essays und Reden, Stämplli Verlag 201- Demokratie und konzeptionelles Denken, Politik im Spannungsfeld von Zwängen, Emotionen und Zufall, NZZ Libro 2015

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