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Das blaue Abendkleid

Satirische Gedankensplitter: Es darf geschmunzelt werden!

Es sah einfach grossartig aus – damals, vor vielen Jahren, in der Auslage einer Zürcher Modeboutique. Das blaue Abendkleid war derart bezaubernd, dass meine Gattin nicht wiederstehen konnte: Der Traum aus Stoff wurde anprobiert – und sass wie angegossen. Nicht, dass der Geldbeutel übervoll gewesen wäre; nicht, dass ein Anlass mit «Etikette Abendkleid» angestanden wäre. Aber es war ganz einfach Liebe auf den ersten Blick, gegen die kein Kraut gewachsen ist. Und so hielt die spontane Errungenschaft Einzug in unseren Haushalt.

Auf dem Weg zu seinem Ehrenplatz im Kleiderschrank passierte der blaue Traum den Spiegel: «Schau nur, dieses tolle Kleid!» Und so blieb das Abendkleid der unbestrittene Star. Jedes Jahr wurde es sorgfältig gelüftet, Jahr für Jahr drehte es seine Ehrenrunde vor dem Spiegel: «Schau nur…» Bloss: Einen Einsatz in der Öffentlichkeit fand es nicht – es blieb die Liebe auf den ersten (Kleider-)Blick meiner Angetrauten, ihre ganz persönliche, heimliche Beziehung.

Doch mit den Jahren, die unaufhaltsam ins Land zogen, verflüchtigte sich der Reiz halt doch allmählich, und der Augenblick kam, als das blaue Abendkleid bloss noch den Platz versperrte. Nicht, dass es nicht mehr ganz gepasst hätte, aber beide, die Besitzerin und ihr Kleid, waren peu à peu älter geworden. Die Trennung wurde unausweichlich.

In die Altstoffsammlung damit? Sicher nicht, das wäre ja der reinste Verrat! Doch da gab es in unserer Stadt ein Lädeli, in dem eine gewiefte Schneiderin – unter anderem – gebrauchte Festkleider feil hielt. Der Gang dorthin war nicht einfach, die Versicherung, das Kleid sei völlig ungetragen, umso pointierter. Nein, Geld wolle sie bei einem allfälligen Verkauf keines, erklärte meine Frau – ihr sei es wichtig, dass die Robe noch – von wem auch immer – getragen werden könne. Die Lädeli-Besitzerin strahlte glücklich vor sich hin, derweil die Vorbesitzerin gesenkten Hauptes die Boutique verliess.

Doch weil der Laden an der Hauptstrasse lag, ertönte beim nächsten Vorbeifahren neben mir ein Schrei: «Halt an! Schau dort, im Schaufenster, mein blaues Kleid!» Andächtig standen wir vor der Vitrine und bestaunten den Traum aus Stoff. Und jedes Mal, wenn wir wieder vorbeifuhren – Sie ahnen es? Wochenlang dasselbe Ritual, wochenlang diese schmerzenden Begegnungen!

Gestern kam meine Gattin aus der Stadt zurück, unter dem Arm ein ansehnliches Paket. Auf den Stubentisch damit, die Schnüre gelöst: Genau – das blaue Abendkleid! «Weisst du, ich konnte einfach nicht anders, es gefiel mir so!» Der Kauf sei spontan gewesen, die Lädeli-Besitzerin kulant, sie habe die Robe für einen Freundschaftspreis verkauft…

Jetzt hängt das blaue Abendkleid wieder an seinem Ehrenplatz im Kleiderschrank. Und es wird auch in Zukunft jedes Jahr sorgfältig gelüftet werden, mit der obligaten Ehrenrunde vor dem Spiegel: «Schau nur, dieses tolle Kleid!»

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