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Die Geschichte des Lichtbildes

Das Dia im Musée de l’Elysée Lausanne – Zur Geschichte der projizierten Fotografie präsentiert das Westschweizer Fotozentrum eine umfassende Schau.

Erinnern Sie sich: Wer vor 40 Jahren von einer Reise zurückgekehrt war, lud Familie, Freunde, Nachbarn zu einem Dia-Abend ein. Der Diaprojektor wurde hervorgeholt, eine Projektionswand aufgestellt, die fertigen Dias waren in die passende Trägerkassette eingeordnet worden – und die Abendunterhaltung war gesichert. Die zahlreichen Aufnahmen waren zuvor von einer der marktbeherrschenden Grossfirmen zu Dias verarbeitet worden, ein frühes Beispiel globalisierter Monopolisierung: Überall konnte man Filme der gleichen Marke kaufen. Bald traten Super-8-Filme und später Videoaufnahmen in Konkurrenz zu den Dias, aber der grosse Zusammenbruch kam erst mit der Digitalisierung seit den 1990er Jahren.

Werbeplakat für Kodachrome by Kodak, 1982 © Kodak / Photo Musée de l’Elysée, Lausanne

Die Geschichte des Lichtbildes beginnt schon im 19. Jahrhundert. Zwar gehörte zur Fotografie immer auch der Abzug – meistens auf geeigneten Papiersorten -, das Dia jedoch, das an die Wand projizierte Bild, wurde seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelt und verbessert. Die Tradition der Laterna Magica-Vorführungen war dem vorausgegangen.

Es waren nicht nur die Hobbyfotografen, die gerne Dias zeigten. Gerade im Unterricht, in öffentlichen Vorträgen und Ausstellungen oder bei anderen Veranstaltungen nutzte man Lichtbilder, denn die Projektion ermöglichte zahlreiche grossformatige Bilder, so dass man eine Bildfolge in grossen Räumen zeigen konnte. Fotografen mit künstlerischem Anspruch verwendeten das Dia in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch relativ selten. Erst in den 1960er und 1970er Jahren erlebte der Einsatz von einzelnen Lichtbildern oder die Diaschau ihren eigentlichen Durchbruch im künstlerischen Bereich. Es waren Konzeptkünstler, die das Dia als alternatives Bildmedium für sich entdeckten.

Bertrand Gadenne, Les Papillons, 1988 © 2017, ProLitteris, Zurich / Bertrand Gadenne / Collection du Musée de l’Elysée, Lausanne

Ein besonders poetisches Beispiel ist die kleine Installation des in der Westschweiz ansässigen Lichtkünstlers Bertrand Gadenne «Les Papillons»: Ein an der Decke montierter Projektor wirft nur ein einziges Bild auf den Fussboden, das dort allerdings nur als unscharfe Lichtflecken erscheint. Hält man die Hände in das Projektionslicht, hat man zwei Schmetterlinge in den Handflächen, und wenn man diese geschickt hin und her bewegt, scheinen die zarten Sommervögel zu schweben.

Das Museum zeigt alle Bereiche: Die Geschichte des Dias in seinen Anfängen, als diese Form von professionellen Fotografen, Forschern und Künstlern genutzt wurde. Die technischen Geräte, die das Bild erst sichtbar machten, die Entwicklung zum Massenprodukt um die Mitte des letzten Jahrhunderts und Beispiele aktueller künstlerischer Arbeit mit Lichtprojektion. Eine beeindruckende Reihe von Projektoren zeigt die Entwicklung, die dieser für alle Diapositive unerlässliche Apparat erfahren hat.

Dan Graham, Project for Slide Projector, 1966-2005 © Dan Graham, courtesy Marian Goodman Gallery. Collection: Astrid Ullens de Schooten / Fondation A. Stichting, Brüssel

Dan Graham wurde 1966 durch seine Serie «Homes for America» berühmt. Die hier gezeigte raffinierte Installation spielt auf die Durchsichtigkeit des Zelluloids eines Dias an, hier benutzt Graham der Festigkeit halber Glasplatten, die vor- bzw. übereinander zu einem Kubus geschichtet sind. So erkennt man die Figur des Fotografen nur vollkommen verschwommen, besonders wenn man um den Kubus herumgeht. Dies sowie die Lichtreflexe der Glasschichten verwirren, so dass wir uns die Frage stellen müssen, was wir nun eigentlich sehen. Eine Frage, die sich bei der Fülle der Bilder, die uns heute überschwemmt, umso dringlicher stellt.

Die «Meeresgrammatik» des argentinisch-italienischen Künstlers Runo Lagomarsino spielt auf die Rolle des Mittelmeeres als «mare nostrum» an, als Tor der Alten Welt zur Neuen Welt jenseits des Atlantiks, aber auch als Grenze zwischen Europa und dem noch immer unter den Folgen des Kolonialismus leidenden Afrika. Auf dem Lichtbild ist nämlich die Meerenge von Gibraltar zu sehen. Lagomarsino hat das Dia immer weiter zerlöchert. Werden alte Ordnungen oder neu errichtete Grenzen zerlöchert? – Die Interpretation dieser Folge des stets gleichen Bildes bleibt den Betrachtenden überlassen, vielschichtig ist sie allemal.

Runo Lagomarsino, Sea Grammar, 2015 © Runo Lagomarsino / Foto: Andreas Meck und Terje Östling / Courtesy of the artist, Mendes Wood DM, São Paulo, Nils Staerk, Copenhagen und Francesca Minini, Mailand

Beim Gang durch die Ausstellungsräume fällt der Besucherin auf, dass sich auch unsere Sehgewohnheiten in den letzten Jahrzehnten geändert haben. Vor ungefähr 50 Jahren ging man noch davon aus, dass das menschliche Auge nur etwa sieben Bilder auf einmal anschauen kann. – Und heute? Sind wir nicht fast ständig einer Vielzahl von Bildern ausgesetzt, so dass wir uns ihrer oft genug kaum erwehren können? Die Frage bleibt, ob wir mehr davon aufnehmen können, ob wir gelernt haben, selektiv zu schauen oder ob unsere visuelle Wahrnehmung abstumpft.

Der eher dokumentarische Teil steht immer wieder in Ergänzung zu künstlerischen Arbeiten, bei denen wir heute erkennen, dass sie wegweisend waren für eine neue Art der Kunst, das Bild beispielsweise auch als Element des Films. Darunter sind international berühmte Künstler wie Peter Fischli / David Weiss, Gisèle Freund oder die «Erfinder» der Dia-Wand Charles und Ray Eames und viele andere.

Die Ausstellung im Musée de l’Elysée in Lausanne dauert noch bis 24. September 2017.
Wer den Abend in Lausanne verbringen möchte: Am 24. Juni findet die «Nuit des images»statt mit vielen Überraschnungen im Museumspark.

Der empfehlenswerte Austellungskatalog enthält vier Essays und ein Interview mit dem Künstler Krzysztof Wodiczko, der aufgrund seines kulturellen und sozialen Engagements, das er mit grossformatigen Aussenprojektionen publik macht, einen guten Ruf besitzt. Der umfassende Katalog ist nicht nur eine sorgfältige Dokumentation der Ausstellung, sondern kann als Geschichtsbuch des Diapositivs gelten. Herausgegeben unter der Leitung von Anne Lacoste, Nathalie Boulouch, Olivier Lugon und Carole Sandrin, in Zusammenarbeit mit les Editions Noir sur Blanc; Mai 2017; 21 x 27,2 cm; 240 Seiten, 213 Bilder.
Nur in Französisch und Englisch erhältlich.

Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung des Musée de l’Elysée Lausanne

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