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Komponieren mit Aussicht

1874 wurde in Rüschlikon ein kleines Stück Musikgeschichte geschrieben: Johannes Brahms wohnte und arbeitete für drei Monate in der Gemeinde. Die Kulturtage 2017 erinnern daran.

Hoch über Rüschlikon und direkt neben dem heutigen Hotel Belvoir liegt das Haus, in dem Brahms 1874 zwei Zimmer bewohnte. Ein Rundgang durch die kleinen Räume lassen eine Zeit wieder aufleben, als Rüschlikon noch für Ruhe und Abgeschiedenheit stand, als ein Ort der Inspiration, wie ihn Brahms zum Arbeiten suchte. Und wo auch, ganz ohne moderne Kommunikationsmittel, Freundschaften gepflegt und neue Kontakte geknüpft werden konnten.

Blick in die Vergangenheit

«Meine Komponierhöhle» nannte Brahms eines der beiden Zimmer, die er bewohnte, und dieses kleine Studierzimmerchen ist für die diesjährigen Rüschliker Kulturtage mit liebevoll arrangierten Details rekonstruiert worden. Ebenso wie ein «Wohnzimmer», dessen Mittelpunkt der Esstisch, die Freundestafel, bildet.

An den Rüschliker Kulturtagen wurde Brahms «Komponierhöhle» noch einmal zum Leben erweckt. (Bilder Daniel Reichlin)

Für das Ausstellungskonzept zeichnet das Büro artes-projekte verantwortlich. Den beiden Fachfrauen, der Musikwissenschafterin Sybille Ehrismann und der Musikhistorikerin und Kulturmanagerin Verena Naegele ist in Zusammenarbeit mit dem Gestalter Daniel Reichlin von der Stellwerkost GmBH ist es mit dieser kleinen charmanten Zeitreise gelungen, etwas vom Zauber, der Brahms für Rüschlikon einnahm, wieder aufleben zu lassen.

Traumwohnung gefunden

Wohnen mit Blick über den See und in die Berge war schon im 19. Jahrhundert ein gutes Argument im Wohnungsmarkt. «Dort oben möchte ich wohnen!» rief der Komponist Johannes Brahms 1874 auf einer Schifffahrt aus und sein Begleiter, Friedrich Hegar, Chefdirigent des erst wenige Jahre alten Tonhalle-Orchesters, fackelte nicht lange. Man stieg aus, ging zum Barbier – Coiffeure waren immer schon gut informiert – und bald schon waren in diesem Haus im «Nidelbad» zwei Zimmer gemietet. Brahms hatte seine Inspirationsstätte für den Sommer gefunden.

Jeden Morgen schwamm er im See, dann aber wurde gearbeitet. Etwa die Neuen Liebeslieder-Walzern op.65 für Vokalquartett und Klavier zu vier Händen. Das Autograph dieser Lieder stöberte Sibylle Ehrismann 1997 in einem Depot der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft auf.

Freundschaft mit Gottfried Keller

Daneben erneuerte er in Zürich Freundschaften aus früheren Jahren und knüpfte neue Kontakte. Am Zürcher Musikfest 1874 dirigierte er auf Einladung Hegars sein doppelchöriges Triumphlied op.55, das die Schaffung des deutschem Kaiserreiches subtil feiert.

Blick auf die «Freundestafel», an der die engsten Zürcher Weggefährten des Komponisten mit ihrem Konterfei auf dem Teller und einem kurzen biografischen Abriss versammelt sind.

Speziell ist in der Ausstellung die zum ersten Mal überhaupt ausgestellte Postkarte, die Brahms vom Nidelbad aus an den Winterthurer Verleger Jakob M.Rieter-Biedermann schickte und das Faksimile der «Kleinen Hochzeitskantate», die Brahms auf Wunsch Gottfried Kellers auf einen Text des Zürcher Dichters schrieb. Nicht ohne anzumerken «Ihre Worte sind nicht gerade geeignet für Musik», weshalb er auch auf eine Signatur verzichtete.

Dem launigen Ton des Briefwechsels zwischen Brahms und Keller ist aber zu entnehmen, dass sich da zwei Gleichgesinnte gefunden hatten. Wohl deshalb vertonte er in der Folge noch drei weitere Keller-Gedichte.

Nach diesen Sommermonaten in Rüschlikon kehrte Brahms nach Wien zurück, verbrachte die Sommer 1886, 1887 und 1888 aber weiterhin in dre Schweiz. In Thun allerdings, freundete er sich doch in Rüschlikon mit dem Redaktor und Librettisten Josef Viktor Widmann aus Bern an, ein ebenso leidenschaftlicher Wanderer wie er selber.

Die Ausstellung im Brahmshaus in Rüschlikon dauert noch bis 26. November und ist jeweils samstags und sonntags von 11 bis 16 Uhr geöffnet. Am Donnerstag 9. November und am 16. Novemer, sowie am freitag 24. November finden Rahmenveranstaltungen zum Thema «Johannes Brahms in Rüschlikon» statt. Zur Ausstellung ist eine informative Broschüre der Austellungsverantwortlichen erschienen. Infos unter www.kulturüschlikon.ch.

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