StartseiteMagazinKolumnenWas Politik mit Menschen macht

Was Politik mit Menschen macht

An den Beispielen von Martin Schulz und Claudia Nielsen

Die Parallelen sind unübersehbar: Martin Schulz, der Mann, der „als Retter kam und als Retter geht,“ wie die NZZ in ihrer Wochenend-Ausgabe schreibt, und Claudia Nielsen, die dem Druck nicht mehr gewachsen war, warfen das Handtuch, bevor es zur jeweiligen Entscheidung kam. Bevor die deutschen Sozialdemokraten über den Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU abstimmen, spürte Martin Schulz, der nur knapp ein Jahr den deutschen Sozialdemokraten vorstand, dass er als selbsternannter Aussenminister im Wege stand, dass er ein Ja zum Regierungsvertrag gefährden würde. Und Claudia Nielsen spürte, dass sie selbst von ihrer Partei, der SP, im Stich gelassen, wohl am 4. März bei den Stadtratswahlen in Zürich zu den Überzähligen gehören und abgewählt werden könnte.

Doch ein Unterschied ist markant, sticht ins Auge. Martin Schulz, der als prominenter Europapolitiker für die Deutschen Sozialdemokraten wie ein Erlöser erschien, der die älteste Partei Deutschlands aus dem Umfragetief zu befreien schien, wurde umsorgt, von unzähligen Politberatern zurechtgebogen, so dass er das verlor, was in auszeichnete als er ankam: seine Frische, das Erscheinungsbild einer unverbrauchten Kraft im festgefahrenen Berliner Politikbetrieb. Schnell sind ihm seine Kanten abgeschliffen worden, schnell ist er ins gängige Gefüge der deutschen Innenpolitik gepresst worden. Markus Feldenkirchen, der Spiegel-Reporter, hat für das deutsche Nachrichtenmagazin Schulz während 150 Tagen begleitet und in seinem umfangreichen Report dargelegt, dass Schulz zunehmend seine Eigenständigkeit verlor und bereits im Wahlkampf „innerlich das Handtuch“ geworfen habe. Schulz wurde zum Hampelmann an der Strippe der Politauguren seiner eigenen Partei.

Ganz anders Claudia Nielsen. Sie war beratungsresistent, liess sich nicht am Zeug flicken. Im Gegenteil: Sie liess es schon gar nicht zu, dass sie auf ihre ruppige Art, wie sie mit ihren Mitarbeitern umging, hingewiesen wurde, wie sie alles und jedes über ihren Schreibtisch laufen liess, wie sie in ihrer Spitalpolitik eigene Wege ging. Die Partei blieb abseits, griff nicht ein. Und als sie mit ihrer Spitalstrategie ins Abseits geriet, liess die Partei sie gar fallen. Der rotgrün beherrschte Stadtrat sah sich gezwungen, ihr ein Stadtratsteam zur Seite zu stellen, um sie in ihrer Spitalpolitik zwangsmässig zu beraten und zu unterstützen. Dennoch: Sie hat gerade mit dem neuen Bettenhaus Triemli ein Zeichen gesetzt, das ihr in zehn Jahren als grosse Leistung zugeschreiben werden wird. Sie hat eine zielorientierte, vernünftige Alterspolitik betrieben. Als nun aber auch noch Abrechnungsprobleme in den städtischen Kliniken zum Vorschein kamen, warf sie das Handtuch. Und sie, nun andersrum, liess die Partei vier Wochen vor den Wahlen im Stich. Die SP wird so einen Sitz in der Stadtregierung verlieren.

Deutschland und die Stadt Zürich lassen sich in der jeweiligen politischen Bedeutung nicht vergleichen. Wie politische Parteien mit ihrem Spitzenpersonal umgehen, aber schon. Wenn die einen ihre Spitzenleute total asn die Kandare nehmen, die andern sie nicht antasten, ist der Misserfolg in beiden Fällen im Voraus programmiert. Spitzenpolitikerinnen und -politiker brauchen Unterstützung. Sie brauchen kritische Geister, die ihnen immer wieder den Spiegel vorhalten. Aber eines ist unverzichtbar: ein eigenes Profil, eine politische Ausrichtung, die in Übereinstimmung mit der eigenen Grundhaltung steht und die nicht aufgrund jeweiliger Umfragergebnisse zurechtgebogen, von aussen angepasst, gar aufgezwungen wird.

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